Unabhängig von den Entscheidungen im deutschen Profi- und Amateurfußball in den kommenden Wochen und Monaten entscheidet sich der Regionalligist TuS Haltern am See ab der kommenden Saison für einen Strategiewechsel bei der Ausrichtung des erfolgreichsten Sportvereins der Seestadt. Vorbild ist der auch in Corona-Zeiten wirtschaftlich gesunde und sportlich erfolgreiche spanische Europacup-Teilnehmer und Erstligist Athletic Bilbao, der ausschließlich auf Spieler aus der eigenen Jugend und dem Baskenland setzt.

War in den letzten zehn Jahren die Arbeit vom Aufstieg aus der Bezirksliga bis in die Regionalliga und der Professionalisierung des Jugendbereichs geprägt, nutzt Deutschlands erfolgreichste Talentschmiede im Amateurfußball die Corona-Zeit zum nächsten logischen Schritt – der Verschmelzung von größtmöglichem sportlichem Erfolg mit lokalen Werten und Bedürfnissen.

“Wir sind der festen Überzeugung, dass es in den nächsten Jahren nicht nur um höher, weiter und schneller, sondern auch um sozialer, gerechter und nachhaltiger geht. Und deshalb gehen wir mit unserer neuen Sport- und Gemeinwohl-Strategie lieber auf Talent- statt Investorensuche und entscheiden uns für ein Konzept, welches den sportlichen Bedürfnissen der Halterner Bevölkerung, den demographischen Veränderungen und den infrastrukturellen Voraussetzungen der Seestadt Rechnung trägt.”, so Raphael Brinkert, langjähriger Jugendspieler und heutige Marketingchef des TuS Haltern am See.

Mit dem Aufstieg in die Regionalliga West und den Punktspiel-Siegen gegen Alemannia Aachen, Sportfreunde Lotte oder dem Unentschieden gegen Rot-Weiß Essen hat der Heimatverein von Weltmeister Benedikt Höwedes, Sergio Pinto und den Metzelder-Brüdern in dieser Saison sportliche Ausrufezeichen gesetzt. Gleichzeitig mussten die Seestädter aufgrund infrastrukturellen Voraussetzungen auf der städtischen Anlage fast jedes zweites Heimspiel in Nachbarstädten austragen. Auch personell rekrutierte sich der Regionalligist – wie viele andere Teams in den obersten Amateurklassen auch – vermehrt aus der Jugendabteilungen der Profiteams aus dem Ruhrgebiet statt aus der eigenen Talentschmiede.

Damit ist nun Schluss: Ab der kommenden Saison haben sich die Verantwortlichen zu dem radikalen Weg entschieden, dass alle Senioren-Mannschaften des TuS Haltern am See eine Mindest-Quote von Spielern aus der Seestadt erfüllen müssen. Das Konzept startet zur Saison 20/21 mit einem Seestadt-Anteil von 50% und steigert sich zur Saison 21/22 auf 75%. Damit werden in Zukunft Spieler, die in Haltern am See geboren oder aufgewachsen sind, in Haltern am See wohnen oder aus der eigenen Talentschmiede kommen, den Großteil der Senioren-Mannschaften ausmachen.

“Corona stellt eine Zäsur für den Profi- und Amateurfußball da. Bereits im letzten Jahr haben wir deutlich gemacht, dass dem Wahn bei Gehältern, Sicherheitsmaßnahmen und Verbands-Auflagen im ambitionierten Amateurfußball Einhalt geboten werden muss, wenn wir nicht wöchentlich über Insolvenzen im Vereinssport reden wollen. Aus diesem Hamsterrad steigen wir nun freiwillig aus und konzentrieren auf das, was uns groß gemacht hat: Die besten Spieler und Talente aus der schönsten Seestadt der Welt –  Haltern am See.” so Sportdirektor Sascha Kopschina, der seine Zukunft bei den Seestädter insbesondere in der strategischen Neuausrichtung, der Verzahnung von Senioren- und Talentschmiede sowie dem Auf- und Ausbau von Kooperationen mit den anderen Sportvereinen in der Seestadt sieht.

Über personelle und sportliche Konsequenzen aus der Neuausrichtung sowie Veränderungen im Kader wird der TuS Haltern am See in Kürze berichten. Neu im erweiterten Strategie-Stab der Seestädter ist auch der ehemalige Jugendspieler und heutige Fußball-Weltmeister Benedikt Höwedes, der seit dem Beginn der Corona-Zeit in seiner Heimatstadt weilt und langfristig an den Verein gebunden werden soll.

© Holger Lindner